OYA: Commons-Institut

Wer wir sein wollen und wie wir werden …

Dies ist die Langfassung eines Gesprächs für die Zeitschrift Oya. Eine gekürzte Version ist in Oya 56 erschienen. Die Beteiligten:
Silke Helfrich (Neudenau), ist Mitgründerin und Moderatorin dieses Gesprächs.
Sarah Meretz (Bonn), ist Mitgründerin und gehört dem vierköpfigen offiziellen Vereinsvorstand an.
Paul Jerchel (Berlin), ist seit circa zwei Jahren „wirtuell“ dabei und am Gespräch als Zwischenrufer beteiligt.
Tomislav Knaffl (Stuttgart), ist schon länger dabei, tritt kaum öffentlich für das CI auf.
Stefan Meretz (Bonn), ist Mitgründer und bekannt als der gute Geist hinter der Website, widmet sich kniffligen technischen wie theoretischen Fragen.
Friederike Habermann (Greene), ist erst kurzfristig dabei und beteiligt sich hier mit Zwischenrufen.
Tilman W. Alder (Berlin), ist Mitglied (seit 2015), tritt aber für das CI nicht regelmäßig öffentlich auf.
Horst Göllnitz (Halle), ist dem CI seit 2016 verbunden (seit 2019 Mitglied) aber in der theoretischen Diskussion weniger präsent.

Silke: Das Commons Institut ist ja kein Ort, sondern eher ein Netzwerk. Wir reden gern vom „nomadischen Institut“. Es ist daher immer gerade da, wo etwas im Sinne des Instituts geschieht und wo Menschen, die sich zugehörig fühlen, etwas tun. Ihr seid das Commons-Institut. Deswegen interessiert mich als Erstes: Warum seid Ihr dabei? Was bedeutet Euch das CI und worin seht Ihr Eure Aufgabe?

Tomislav: Ich bin Mitglied geworden, weil ich mich daran erinnern will, von der Praxis zurückzutreten und einen Blick auf’s Ganze und auf den Kontext zu werfen. Ansonsten hätte ich Sorge, in Projekten wie der Solidarischen Landwirtschaft oder der Stuttgarter teilbar betriebsblind zu werden. Das CI bedeutet mir Zugehörigkeit zu einem Verbund von Menschen, denen genaues Hinschauen auf Commons wichtig ist. Und eine Erinnerung, Worte für neue oder schwierige Abläufe zu finden.

Stefan: Ich habe das CI mitgegründet, weil mir der wissenschaftliche Austausch über Commons-Themen wichtig ist. Dabei geht es um Theorien, aber auch darum, Commons-Praktiken in den unterschiedlichsten Feldern zu reflektieren. Ich will das Gemeinsame der sehr unterschiedlich scheinenden Commons verstehen und sichtbar machen. Gleichzeitig ist es cool, eine formale Institution zu haben, die mit anderen in eine Partnerschaft treten kann. So ist das „Institut“ Teil des Forschungsprojekts „Die Gesellschaft nach dem Geld“ oder wir unterstützen als Institution Konferenzen und dergleichen.

Friederike: Bei mir war das ganz anders. Als das CI gegründet wurde, fand ich das eine überflüssige Institutionalisierung. Dann war ich vor knapp einem Jahr an einem Freitag aus irgendeinem inhaltlichen Grund beim Institutstreffen dabei; vor allem deshalb, weil es um die Ecke stattfand. Ich sah mich um und merkte: Ich kenne fast alle. Da gehöre ich hin! Nun, also blieb ich.

Tilman: Mir kam das CI in einer eher verzweifelten Phase über den Weg. Ich war unzufrieden mit meiner Lebenssituation und hatte begonnen, mich zu fragen, was das mit meiner Welt zu tun hat. Irgendwie schien vieles so auswegslos. Das Thema Commons hat da eine Möglichkeit aufgemacht: die denkbare Möglichkeit einer Welt wirklicher Selbstbestimmung, die nicht nach Profit, sondern nach Bedürfnissen funktioniert, wo weder Natur ausgebeutet werden muss, noch Menschen; eine Welt, in der für meine Lebensplanung nicht der ängstliche Gedanke dominiert, was finanziell möglich ist, sondern der Gedanke, was für mich und andere wichtig ist. Das ist eine schöne Utopie – im wahrsten Sinne des Wortes: „etwas, was in der Vorstellung existiert, aber (noch) nicht Wirklichkeit ist“. Und dabei geht’s ja nicht um Glauben, sondern um die wissenschaftliche Erforschung dieser Möglichkeit – sowohl des Ziels, als auch des Weges dahin. Dies versuche ich auch in mein Psychologie-Studium einzubringen, gerade in Verbindung mit der Kritischen Psychologie.

Sarah: Ich war Teilnehmerin der ersten Commons-Sommerschule, die Silke seit 2012 organisiert. Auf den Nachtreffen entstand die Idee, den Wünschen nach Kontinuität der Treffen und Aktivitäten einen Rahmen zu geben. Das haben wir schließlich im Februar 2014 umgesetzt. Für mich war die Sommerschule ein Wendepunkt in meinem Leben insgesamt. Es war wie selbstverständlich, die Entwicklungen danach mitzugestalten. Inzwischen ist mir dieser Zusammenhang von Menschen sehr wichtig geworden als ein Ort, an dem ich bedürfnisorientiertes Miteinander-sein, Reflexion über mich und unsere Welt und (Selbst-)Fürsorge erfahren und lernen kann. Meine Aufgabe sehe ich vor allem in der Fürsorge für diesen Zusammenhang; sei es, indem ich im Hintergrund Finanz- und Mitgliederverwaltungskram mitverantworte, als formales Vereinsvorstandsmitglied auch den institutionellen Rahmens halte, Treffen mit vorbereite oder in solchen zum gefühlt x-ten Mal darüber sprechen möchte, was denn das CI eigentlich für uns jeweils bedeutet. Stück für Stück traue ich mir auch mehr zu auf den Treffen „meine“ Inhalte reinzubringen.

Horst: Hm, für mich ist das CI irgendwie auch das formelle Gesicht für die Idee von Commons und Commoning und es wirkt meiner Beobachtung nach über das ansonsten verbreitete Schreiben von Büchern Einzelner hinaus. Hier werden die notwendigen informellen und sozialen Knoten geknüpft. Für mich ist das sehr wichtig, denn ich suche ein Gesellschaftsmodell für eine bessere Welt. Und die kann, so glaube ich, letztlich nur jenseits des Kapitalismus sein. Zum Glück ist diese Suche ein Wachstumstrend. Ich glaube auch, dass selbstbestimmtes Wirken für gesellschaftliche Veränderung wesentlich ist. Und darum geht es ja im CI. Da will ich verbunden und förderlich sein. Ich habe dort Leute kennengelernt mit Herzblut und Intensität, hohem intellektuellem Niveau, Witz und meist herzlichem, mindestens wohlwollendem Begegnen, selbstbewusst im guten Bereich und oft mit einem guten Stück Selbstlosigkeit.

Tilman: Ich finde es missverständlich zu sagen, dass Leute im CI „selbstlos“ wären. Ich weiß zwar, wie Du das meinst, aber genau genommen würde ich quasi das Gegenteil behaupten: Ich mache das für mich. Ich will ja die „bessere“ Welt.

Horst: Das stimmt, ich will aus mir heraus eine bessere Welt, aber eben nicht (nur) für mich.

Tilman: Tja, und ob es aktuell einen Wachstumstrend der Alternativen gibt, das hängt ganz vom Blick ab. Wenn ich auf die autoritären Tendenzen schaue, würde ich das nicht sagen. Es ist ein ständiges Gegeneinander oder in Friederikes Worten: „struktureller Hass“. Schaue ich aber auf bestimmte Aspekte der Arbeitsorganisation, dann sehe ich vielleicht schon eher einen Wachstumstrend, weil dort beschränkte Selbstorganisation gefördert wird, damit Angestellte selbst den gesellschaftlichen Sinn ihrer Arbeit bearbeiten, was den Widerspruch von Verwertungslogik und Bedürfnissen eventuell für alle spürbarer werden lässt. Es ergibt sich jedenfalls ein sehr widersprüchliches Bild. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass in vielen sozialen Bewegungen wieder sowohl über Systemwechsel als auch über Visionen diskutiert wird. Da sehe ich Potenzial…

Horst: Das Wort „Wachstumstrend“ gefällt mir auch nicht wirklich. Es geht eher um Verbreitung, Stärkung, Bewusstwerdung und darum, Einfluss zu gewinnen. Wenn ich die letzten 10 Jahre betrachte, beobachte ich, dass nicht nur einzelne „Baustellen“ oder Erscheinungsformen bekämpft werden (Startbahn West, Friedensbewegung, S21,…), sondern es verstärkt darum geht, tatsächlich Ansätze zur grundsätzlichen Gesellschaftsveränderung zu finden. Auch die Oya trägt dazu bei, diese Ansätze „in die Breite“ zu tragen. Ich denke da neben der Commons-Diskussion an die Postwachstumsdebatte, die Gemeinwohlökonomie, öffentliche Ringvorlesungen, MOVE-Utopia, und viele Publikationen. Selbst in den klassischen Medien spielen solche Ansätze zunehmend eine Rolle und werden nicht selten sogar wohlwollend dargestellt. Das war nicht immer so. Dass sich andererseits eine großer Teil der Gesellschaft eher nach dem starken Mann, nach Abgrenzung, Nation, Staatsmacht sehnt, unterstreicht nur, warum es mir so wichtig ist, wenigstens alle die zu erreichen, die ich für erreichbar halte. Mir fehlt, offen gestanden, einfach die Vorstellungskraft, den sprichwörtlichen BILD-Leser zu interessieren.

Silke: Damit bist Du gewiss nicht allein. Es muss aber auch nicht immer darum gehen, alle zu erreichen. Im Commons-Institut geht es meiner Wahrnehmung nach auch viel um Denkarbeit und um Selbstreflexion – quasi eine Voraussetzung dafür, mehr Menschen zu erreichen.

Tilman: Ja, und zu dieser Reflexion gehört, klarzukriegen, was genau eigentlich wie kritisiert wird: Wenn wir zum Beispiel den Kapitalismus kritisieren, dann können wir fragen: Wie komme ich eigentlich zu meiner Zahnbürste? Das Vermittlungsverhältnis oder die Beziehungen, von mir zu allen Personen, die an der Produktion und Zirkulation meiner Zahnbürste beteiligt waren – wie sehen die heute aus? Hier tun sich Problemfelder auf, die sich aus Commons-Perspektive alternativ denken lassen.

Horst: Deshalb finde ich selbstbestimmtes Wirken für gesellschaftliche Veränderungen so wichtig. In eher straff organisierten Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Interessenvertretungen aller Art beobachte ich, wie die Akteure intern immer mit Machtkämpfen befasst sind und ihre Intentionen oft zurückstellen müssen. Das wird dann letztlich sehr fremdbestimmt.

Sarah: Auch für mich ist „selbstbestimmtes Wirken für gesellschaftliche Veränderung“ total zentral! Erst gestern habe ich widergespiegelt bekommen, dass mein Verhalten/meine Meinung/meine Sicht auf die Welt als „schräg“ empfunden wird, aber als interessant und überhaupt nicht missionierend. Und dieser letzte Punkt ist mir sehr wichtig. Es geht ja bei Commons darum, Selbstbestimmung nicht nur für mich einzufordern, sondern sie auch für die anderen zu gewährleisten. Und zu missionieren ist die erste Stufe, Selbstbestimmung zu beschneiden. Schwierig und widersprüchlich wird es natürlich auch schnell, wenn zum Beispiel auf Selbstbestimmung gepocht wird, die nicht „das Wohl aller“ einschließt und die auf das Individuum fokussiert bleibt – das kann dann zu allen möglichen Exklusionen führen.

Silke: Was wollt Ihr aus der je individuellen Perspektive mit dem Commons-Institut bewirken? Und gibt es auch gemeinsame Ziele?

Paul: Commoning wird recht oft als „Heile-Welt-Versprechen“ abgetan, dabei gibt es genug Ansätze, die ganz reale Lösungen für aktuelle Probleme aufzeigen – etwa für Klimaschutz oder gegen Diskriminierung und Ungleichheit. Mit den Impulsen, die ich im CI kriege, kann ich das hoffentlich auch denen verdeutlichen, die bisher keine Erfahrungen mit Commons gemacht haben und darin eher Hippietum sehen wollen.

Stefan: Dass das CI, wie Du schon zu Beginn gesagt hast, ein Netzwerk unterschiedlicher Menschen ist, schätze ich sehr. Folglich gibt es keine gemeinsam definierten Ziele, bestenfalls einen Rahmen, der mit dem Slogan „Jenseits von Markt und Staat“ ausreichend umrissen ist. Ob mit dem „jenseits“ dann ein „neben“ oder ein „anstatt“ gemeint ist, kann offen bleiben – hier gibt es unterschiedliche Positionen.

Friederike: Nach meinem ungeplanten Reinrutschen ins CI erwies sich dieses als sehr reger und für mich äußerst fruchtbarer Diskussionszusammenhang. Wir haben inhaltlich eine gemeinsame Grundlage. Das ist sehr wertvoll, auch um für sich selbst Gedanken klären zu können. Gut finde ich zudem, gemeinsam etwas organisieren zu können, zum Beispiel Veranstaltungsreihen auf dem MOVE-Utopia oder auf wissenschaftlichen Kongressen.

Horst: Ich will vor allem dazu beitragen, dass eine Änderung der „Denkweise“ überall stattfinden kann, denn das sehe ich immer noch nicht. Selbst bei Leuten mit nichtrechter bis zu linksaußen Lebensphilosophie sind Commons-Ideen oft nicht bekannt oder werden als Utopie freundlich links liegen gelassen. Daran will ich etwas ändern. Bildungsarbeit ist hier wichtig, Bildung über gesellschaftliche Prozesse, aber auch Herzensbildung. Die Veränderung der materiellen Lebensbedingungen allein jedenfalls wird nicht genügen. Und Bildungsarbeit machen die Menschen im CI…

Stefan: Stimmt, ich bin ja dafür zuständig, die Veranstaltungen, an denen wir beteiligt sind, oder die wir selbst auf die Beine stellen, auf unserer Website sichtbar zu machen. Und ich bin selbst immer wieder erstaunt, wie viel da zusammenkommt.

Silke: Lasst und bitte noch einen genaueren Blick auf „die Institution“ werfen. Was soll eigentlich mit der Bezeichnung „Institut“ ausgedrückt werden? Klingt das nicht etwas förmlich?

Tilman: Als ich meiner Oma mal erzählte, ich sei im CI, sah ich an ihrem Blick, dass „Institut“ in ihren Ohren großartig klingt. Das Wort macht etwas, es klingt nach Forschung und Wissenschaft – richtigerweise.

Sarah: Ich finde es auch nicht schlecht, dass der Name nach außen hin etwas förmlich wirkt. Wir spielen da sozusagen das Spiel mit, was um uns herum gespielt wird. Wir sind halt ein Institut. Es ist wie ein Spiel mit dieser Welt voller „Schein“, denn hinter dem „Institut“ steckt in der Realität doch eher wenig Formalisiertes und Institutionalisiertes. Das beginnt schon damit, dass es eben kein wirklich gemeinsames Ziel gibt. Als wir den Verein gründeten, haben wir gesammelt, was für jede*n Anwesende das ist, wofür das CI stehen kann. Ich habe diese Liste noch – und sie ist sehr umfangreich und divers. Vom Antragssteller und juristisch anerkanntem Geldempfänger bis hin zum nomadischen Ort (gern auch mit Jurte), in der es eine Bibliothek mit Commons-Büchern und immer gutem Essen für alle gibt. Ersteres haben wir in der Tat schon genutzt, letzteres steht noch aus 😉

Silke: Mir gefällt diese Beschreibung davon, wie das CI wirklich ist: ein „Sich in Vielfalt gemeinsam ausrichten“. Dieses Muster ist mir sehr wichtig, ich sehe es als Gelingensbedingung des Commoning. Es sagt im Wesentlichen aus, dass wir „gemeinsame Werte“ eben nicht voraussetzen können und es nicht zwingend notwendig ist, vorab „gemeinsame Ziele“ zu definieren.

Paul: Für mich macht das nochmal klar: nicht nur Commoning an sich, auch die Hinwendung dazu ist ein Prozess, für den es nicht nur motivierte Personen braucht, sondern eben auch den geschärften Blick und viel Wissen darüber, wie und unter welchen Bedingungen wir als Menschen zusammenarbeiten. Der Name passt schon ganz gut, um ein Knoten für diese „Commons-Forschung“ zu sein und Erkenntnisse davon zu vermitteln. Viele von uns sind schließlich in Forschung, Lehre oder auch in der Praxis aktiv.

Horst: Außerdem ist so ein Name Verpflichtung. Er wirkt als eine Art „Instanz“ gegen die inflationäre oder missbräuchliche Benutzung von Begriffen wie bei „nachhaltig“ und „bio“. Für Menschen, die sich über Commoning informieren, wird der Eindruck entstehen: „Da sind ein paar ernstzunehmende „Instituts“-Leute, die offenbar langfristig zusammen am Thema arbeiten und tragfähige, zueinander passende und zueinander in Beziehung stehende Erkenntnisse entwickeln.“ Sowas hat für mich Autorität (und damit Verantwortung) und ist folglich eine Orientierung z.B. durch die Setzung von Begriffen. Wenn etwa krude Veröffentlichungen zu Commons auftauchen, gibt es schon auch mal gemeinsam erarbeitete Entgegnungen…

Silke: Wie organisiert Ihr in solchen Fällen die Zusammenarbeit? Wie trefft ihr Entscheidungen?

Stefan: Wir treffen uns zwei Mal im Jahr und haben sonst eine differenzierte virtuelle Infrastruktur aufgebaut, in denen verschiedene Gruppen ihren Tätigkeiten koordinieren. Entscheiden tun wir meist recht unaufwändig auf einer Mailingliste der „Aktiven“. Alle, die sich zugehörig fühlen und rund um das CI aktiv sind, können mitentscheiden. Meist schreibt jemand einen Antrag, der, wenn niemand innerhalb einer Frist widerspricht, als angenommen gilt. Bei Widerspruch wird diskutiert, um eine Lösung zu finden. Gibt es erheblichen Widerspruch, geht der Antrag nicht durch. Auch das ist nicht formal geregelt, sondern geschieht auf Vertrauensbasis. Bisher funktioniert es. Was nicht bedeutet, dass es auch in Zukunft immer funktionieren wird.

Tilman: Dieser Schilderung kann ich zustimmen: Kürzlich wollte ich einen Facebook-Account für das CI eröffnen, um unsere Veranstaltungen dort zu verbreiten – vergeblich.

Silke: Erzähl, Tilman, was ist da passiert?

Tilman: Da ich Facebook oftmals nutze, um über Veranstaltungen informiert zu werden, und da ich auch von den Naturfreundejugend Berlin hörte, dass 80% der Leute darüber zu ihren Vorträgen kommen, wollte ich für das CI ebenfalls eine Seite einrichten. Ich fragte also in die Runde (wie viele Menschen das eigentlich umfasst, weiß ich nicht) – indem ich eine Mail über einen Verteiler schickte: 6 Personen sagten dazu etwas. Sie fanden das gut oder hatten gleich noch weitere Ideen, und zwei davon hatten erhebliche Einwände. Es ist wichtig, dass die Personen nicht irgendwelche sind, sondern dass wir uns schon irgendwann mal gesehen haben. Sonst wird es komisch. Eine Person sah in einer FB-Präsenz des CIs die Konterkarierung ihrer bisherigen Arbeit an Alternativen. Denn es gibt inklusiv organisierte Plattformen – etwa Fedivers oder Mastodon. Eine Kritik an FB ist auch mir wichtig. Für mich jedoch schließt eine Präsenz auf einer Plattform nicht die auf einer anderen aus. Die andere Frage war, ob wir exklusive Strukturen, ja vielleicht sogar commons-feindliche Strukturen damit unterstützen würden – die Ansichten gingen auseinander und ich denke, dass wir darüber beim nächsten Treffen nochmal sprechen können. Bis dahin aber wird es keine CI-Präsenz bei FB geben, aufgrund der Bauchschmerzen von einigen. Man könnte es auch so sagen: Wir haben diesbezüglich keine „niedrigschwelligen Konfliktlösungsmechanismen“ (wie Elinor Ostrom das für Commons-Institutionen für notwendig hält), aber wir wissen zumindest, dass wir den Konflikt auf ein Offline-Treffen vertagen und dort weiter damit umgehen.

Tomislav: Da wir verstreut wohnen und über eine Mailingliste im Konsens entscheiden, bietet mir dieses einfache Verfahren zunächst Klarheit: Jemand bittet – begründet – um eine Entscheidung oder macht einen Vorschlag und schlägt einen Einsendeschluss für Einwände vor. Dass das klappt, liegt auch daran, dass wir darauf vertrauen, dass diejenige Stimme viel zählt, die viel macht. Zudem gelten Entscheidungen für unterschiedlich viel Raum und Zeit. Ich bin zum Beispiel nur phasenweise im CI präsent, daher melde ich mich nicht zu den langfristigen Entscheidungen, weil ich nicht kontinuierlich genug dabei bin. Wir kommen also gut zurecht, trotzdem fällt auf, dass es bisher keine formelle Vereinbarung zur Entscheidungsfindung gibt.

Sarah: … zumal die Entscheidungsfindung immer wieder herausfordernd ist. Da sich viele von uns nicht regelmäßig treffen und dadurch nicht so viel Erfahrung im Umgang miteinander haben, ist oft sehr viel Feingefühl vonnöten, um herauszufinden, was wie zur Entscheidung gebracht werden sollte. Da ist das Schreiben von E-Mails für Mailinglisten, die noch dazu offen sind, schon immer wieder sehr herausfordernd. Häufig antworten auch nicht viele Menschen auf Fragen über die Liste(n). Damit muss die fragende Person dann umgehen können. Wir finden aber immer wieder gute Wege, so mein Gefühl, und wir betreten Neuland. Für mich zum Beispiel ist es neu, Stillschweigen als Zustimmung zu nehmen und über vielleicht doch nicht geäußerte Emotionen nicht zu viel nachzudenken.

Horst: Da fällt mir die „Lassenskraft“ ein. Wenn eine Sache von einer Person als essentiell empfunden wird, es sie umtreibt, dann mischt sie sich in die Entscheidungsfindung ein und hat dann auch sicher ernstzunehmende Gründe für eine Meinung. Das funktioniert in einem Raum gut, in dem alle Personen wertgeschätzt werden. Es ist also wichtig, diesen Raum zu erhalten und immer wieder neu herzustellen – egal ob von Angesicht zu Angesicht oder per Mailliste. Das Maß an emotioneller Beteiligung oder von Verletzungen ist natürlich am besten einzuschätzen, wenn die Beteiligten sich möglichst gut kennen – ansonsten eben ohne Wut erklären und aushandeln und dann aushalten. Nach dem (Luther) Motto „Die Geister lasset aufeinanderprallen, die Fäuste haltet stille!“ Schwierig wird es für mich, wenn jemand Knall auf Fall die Verbindung abbricht. Da ist eben vorher etwas schiefgegangen – vielleicht ist der genannte wertschätzende Raum nicht wirksam und erfahrbar gewesen.

Silke: Gibt es im Commons-Institut bestimmte Rollen, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben oder die im Vorfeld festgelegt wurden? Und was ist jeweils Eure Rolle? Wie zufrieden seid Ihr mit ihr?

Stefan: Eines unser Gründungsslogans war „Aufgaben statt Posten“. Insofern ist uns wichtig zu verhindern, dass Rollen zu Posten werden, sondern wir versuchen die Rollen als Bereich von Aufgaben anzusehen, deren Erledigung auch immer wieder mal von wem anderes übernommen werden kann. Leicht gesagt. Ich bin in die Rolle „Website-Kümmerer“ gerutscht, auch, weil ich die Kenntnisse habe. Zufrieden bin ich damit nicht. Generell beobachte ich, dass viele Menschen sehr wenig Zeit haben, weil sie mit anderen Anforderungen – Lohnarbeit an erster Stelle – schon sehr ausgelastet sind. Ich finde es auch deshalb sehr schwer, eine Netzwerk-Organisation wie das CI am Laufen zu halten. Viele finden gut, dass es das gibt, aber nur wenige sehen das CI selbst als Ort ihrer Aktivität. Wir müssen also immer wieder fragen: Was ist das, ein „Netzwerk“?

Sarah: Ich bin formal Teil des Vereinsvorstands. Deshalb spüre ich schon so etwas wie eine Verpflichtung, die andere vermutlich nicht spüren. Zum Beispiel, wenn es darum geht, etwas auf dem Schirm zu haben, was vereinstechnisch passieren muss, damit wir keine Schwierigkeiten von außen bekommen. Es ist jedoch nicht so, dass ich das dann auch alleine umsetze. Da suche ich mir Unterstützung, zum Beispiel bei der Steuererklärung. Manchmal verbindet sich dieses Verantwortungsgefühl auch mit dem Gefühl, dass es sonst vielleicht niemand machen würde und das dann das CI irgendwie gefährden könnte.

Silke: Die Probleme, die Ihr hier benennt sind recht typisch: Habt Ihr noch Ideen, wie das zu lösen ist? Und wird noch an anderen Punkten deutlich, dass die gewählte Rechtsform eher ein Behelfs ist?

Stefan: Lösungen in dem Sinne, dass wir nur einen bestimmten Trick, eine Methode oder eine Struktur finden müssten, die uns die Probleme vom Hals schafft, gibt es glaube ich nicht. Da wirken einfach die gesellschaftlichen Bedingungen ins CI rein, die wir nicht abstellen können. Etwa die bereits erwähnte Lohnarbeit, der viele nachgehen müssen und die ihnen Zeit für Tätigkeiten rund ums CI klaut. Oder die fremden Anforderungen des Vereinsrechts wie die von Sarah erwähnte Steuererklärung. Was wir nur immer wieder machen können, ist die Beziehungen im CI zu stärken, um der gefühlten Vereinzelung und Überforderung etwas entgegenzusetzen. Also nicht nur „Konflikte beziehungswahrend bearbeiten“, wie ihr, David und du, Silke, es in eurem Buch so wunderbar als Muster auf den Punkt gebracht habt, sondern auch „Tätigkeiten in Beziehungen“ bewegen. Es kann zum Beispiel bedeuten, dass ich in einer Überforderungssituation nicht alleine dastehe, sondern mich an Menschen wenden kann, die mit mir gemeinsam überlegen, eine übernommene Aufgabe doch sein zu lassen oder abzugeben. Treffe ich die Entscheidung isoliert für mich, stellt sich leicht ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen ein, wird sie dagegen „in-Beziehung“ getroffen, fühle ich mich auch mit meiner Absage aufgehoben und falle nicht aus dem Beziehungsnetz heraus.

Silke: Manchmal ist es auch so, dass die Leute in einem Verein die Vorstandsmitglieder irgendwie als Autorität ansehen. Gibt es das im CI auch oder kommt das gar nicht vor?

Paul: Also gerade ich als Person am Rande, kann eine gewisse Ehrfurcht vor der Arbeit des Vorstands nicht verleugnen, ohne dass ich jemals einen Push in die Richtung erfahren hätte, schließlich funktioniert auch die innere Dynamik des CI eigentlich anders. Jedenfalls scheint mir, dass da bei allen mehr Zeit, „Allzeit-Bereitschaft“ und Erfahrung dahinter steckt und oftmals natürlich auch viel längere Wurzeln im Thema. Die rechtliche Verantwortlichkeit kommt da einfach noch oben drauf – aber ob Letzteres jetzt sinnvoll ist, ist nochmal eine ganz andere Frage,

Silke: Die „Allzeitbereitschaft“ und zusätzliche rechtliche Verantwortung, die Du wahrnimmst, Paul, wird gar nicht unbedingt von den offiziellen Vorstandsmitgliedern getragen, sondern eben von „den Aktiven“. Und wenn ich mir das so anschaue, frage ich mich, wofür es dann überhaupt notwendig, ist dass bestimmte Leute eine bestimmte Verantwortung übernehmen?

Stefan: Die Rechtsform des Vereins und die Logik des Geldes bringen einen Haufen fremder Anforderungen mit, deren Erledigung wir uns liebend gerne schenken würden. Es gibt Aufgaben, die keine*r gerne macht, die aber gemacht werden müssen. Oft bleibt es dann an wenigen hängen. Die Steuererklärung ist dafür das Paradebeispiel. Hier versuche ich zum Beispiel den formalen Vorstand zu unterstützen, so ich es kann, damit der Formalkram nicht am Ende doch wieder bei dem Formalinstanzen hängen bleibt. Etwas total anderes sind unsere Treffen. Auch dort gibt es Aufgaben, für die Leute Verantwortung übernehmen. Auch das ist nicht immer easy, aber es geht um sinnvolle Tätigkeiten, die wir für uns tun. Und nicht selten können die Beteiligten direkt erleben, was ihr Beitrag im gesamten Commoning ermöglicht hat. Das macht zufrieden. So was gibt es bei einer Steuererklärung nicht, die ist nur nervig.

Tilman: Für die zwei Treffen im Jahr müssen sich Leute finden, die die Organisation übernehmen, sofern das Bedürfnis danach besteht. Ort, Unterkunft, Verpflegung…. Das läuft gewiss nicht immer gut verteilt ab, aber die Organisation ist letztlich freiwillig. Wir sind zwar ein großes Netzwerk im Sinne von weit verstreut lebend, aber so viele sind wir nicht, weshalb Manches auch mal auf nur wenigen Schultern lastet.

Silke: Apropos: Auf dem Treffen im Herbst 2018 waren fast 30 Personen anwesend. Offline und online ist ja immer ein Unterschied. Wie groß ist eigentlich das ganze Netzwerk? Sarah, Du hast gewiss den besten Überblick…

Sarah: Wie groß das ganze Netzwerk ist, kann niemand wirklich sagen. Da wir ja ganz bewusst eine offene und verzweigte Struktur haben, bei der formale Vereinsmitgliedschaft und ’sich zugehörig fühlen/aktiv sein im oder als Teil des CI‘ nicht aneinander gekoppelt sind.

Silke: Was heißt das genau?

Sarah: Vereinsmitglieder gibt es derzeit ca. 45, Tendenz allmählich steigend. Dabei sind einige Menschen, die (fast) niemand von den Aktiven kennt; andersherum gibt es einige aktive Menschen im CI, die kein Vereinsmitglied sind.

Silke: Und für Euch ist das kein relevanter Unterschied? Ist also letztlich jede*r Mitglied, die/der aktiv ist, auch ohne formal Vereinsmitglied zu sein?

Sarah: Ja, so kann man das beschreiben.

Horst: Mein Eindruck ist: Jede/r Aktive (eben gerade nicht „jedes Vereinsmitglied“) gehört dazu und wird ernst genommen und einbezogen – auch ohne in dem leider notwendigen formalen Konstrukt irgendeine durch das Recht definierte Position einzunehmen. Natürlich braucht ein Verein auch ein paar Vereinsmitglieder; das sieht das Vereinsrecht so vor, also kann man sich auch mal formal „bekennen“. Es ist eben eine Spielart einer Intentionalen Gemeinschaft. Wenn die gemeinsame Intention nicht mehr trägt, nimmt die Gemeinschaft Schaden und tendiert zur internen Formalisierung – zum Glück merke ich davon nichts.

Sarah: Wir versuchen das in der Tat so zu leben, dass es keinen Unterschied macht, ob Du formal Vereinsmitglied bist oder nicht. Das war immer der Grundgedanke, auf diese Art „radikal“ offen zu sein, keine Vereinsmeierei zu entwickeln. Was ich bei mir persönlich dennoch merke, sind feine Nuancen des Zwischenmenschlichen, wo dann manchmal der Gedanke „Und diese Person ist ja noch nicht mal Mitglied!“ reinspielt. Genau dieses „sich bekennen“ und also Vereinsmitglied sein, kann dann in einer schwierigen Situation doch emotionale Bedeutung bekommen. Doof, aber so ist es bei mir schon gewesen. Und dennoch finde ich es wichtig, es weiterhin genauso zu handhaben. Zudem gibt es bei uns ja auch keinen festen monetären Mitgliedsbeitrag. Alle definieren selbst, was sie beitragen und es können auch nicht-monetäre Beiträge sein. Letztlich ist das unser Versuch den Spagat zwischen „einer Rechtsform im aktuellen Rechtsgefüge“ und dem Versuch institutionelle Inklusion zu üben, also niemanden aus formalen Gründen auszuschließen in unserem Kontext aktiv zu sein, so sie das möchte.

Silke: Ich finde das erhellend. Das fand ich auch schon, als wir diese Diskussion in der Gründungsphase führten. Gibt es noch etwas, was Euch an der Rechtsform eines “eingetragenen Vereins“ passt und was eher nicht?

Stefan: Ein Verein schien uns die unaufwändigste Weise zu sein, mit der Logik des Kapitalismus umzugehen. Wie gesagt: Die Anforderungen, die aus der Vereinsform resultieren, versuchen wir so klein und unwichtig wie möglich zu halten. Deswegen sprechen wir auch von einer „Unstitionalisierung“ statt „Institutionalisierung“. Das Commoning ist schließlich das Wichtige, der Verein und die Gemeinnützigkeit sind formale rechtliche Hüllen, die wir manchmal brauchen. So können wir Spenden einnehmen und Bescheinigungen dafür ausstellen, anderen Projekten bei Finanzierungen helfen und Kooperationspartner für andere formale Institutionen sein.

Horst: Das Commoning im Mittelpunkt zu sehen bedeutet auch: Die beteiligten Leute sind das Eigentliche.

Sarah: Eines ist noch wichtig: Zum Glück ist das CI ja nicht von Spenden und Spendenbescheinigungen in einem relevanten Maße abhängig. Wie schnell das bedrohlich werden kann, sehen wir bei Attac oder Campact. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist dann v.a. auch ein finanzielles Desaster.

Silke: Bleiben wir also noch einen Moment bei der Frage der Rechtsform: „Gemeinnütziger Verein“ ist nicht ideal. Soviel ist klar geworden. Gibt es überhaupt so etwas wie eine ideale Rechtsform für das Commons-Institut?

Stefan: Ich glaube nicht. Aus eigenen Gründen brauchen wir gar keine Rechtsform, um Commoning zu organisieren. Aber wir existieren im Kapitalismus und im nationalstaatlichen Rahmen mit seinen Kontrollanforderungen, denen auch wir ein Stück weit nachkommen müssen, um handlungsfähig zu sein.

Horst: Unangreifbar von außen, wandelbar von innen sozusagen.

Silke: Bingo. Ich möchte noch auf das Schwerpunkthema der vorletzten Oya-Ausgabe zu sprechen kommen: Welche Konflikte gibt es und wie geht Ihr damit um?

Stefan: Ich sehe zwei Konfliktfelder. Das erste Feld betrifft unsere inhaltliche Unterschiedlichkeit und die Wirkung nach außen. Wir haben entschieden, dass niemand für „das CI“ spricht, sondern alle, die öffentlich sprechen, es als Mitglied tun. Wir leben damit, dass dieser für uns wichtige, aber dennoch nur feine Unterschied in der Öffentlichkeit vermutlich nicht so klar wahrgenommen wird, weil die Menschen Repräsentation und Repräsentant*innen gewohnt sind. Das zweite Feld betrifft die Geldlogik, die auch bei uns wirkt. Wir bekommen viele Referent*innenanfragen, die meist auch ein Honorar mit sich bringen. Hier hat es schon Streit gegeben, wer in welcher sozialen Situation wieviele Anfragen annehmen oder auch mal zurückstecken sollte. Das ist nicht zuletzt auch ein Genderthema, Männer melden sich bei Anfragen schneller und häufiger.

Silke: Aber Männer melden sich auch häufiger, wenn es kein Honorar gibt, wie wir hier in diesem Gespräch gut sehen können. Ich habe mehrfach explizit, in einem Falle sogar direkt, Frauen ermutigt, sich hier zu beteiligen. Mit mäßigem Erfolg. In den vorwiegend theoretischen Arbeitsgruppen ist das ähnlich. Ich werde das Thema demnächst auf die Tagesordnung eines Treffens setzen.

Tilman: Meines Wissens gibt es keine formalen Regeln der Konfliktlösung, außer es eben auszudiskutieren, bis sich ein Weg findet.

Silke: Zum Schluss noch eine Frage, die im Prinzip auf der Hand liegt: Inwiefern ist das Commons-Institut selbst ein Commons? Oder gibt es da – im Innen wie im Außen – Begrenzungen? Was wäre vonnöten, um diese Begrenzungen überwinden zu können?

Stefan: Das CI ist ein Doppel-Commons, zuerst ein Netzwerk-Commons, dann, wenn wir uns treffen, ein Commons-Commons, wo Commoning auch gelebt wird. Das sind für mich zwei unterschiedliche Qualitäten, aber beides ist wichtig. Die Begrenzungen liegen aus meiner Sicht in der Rechtsform, die uns den Formalkram aufbürdet, und in der Gesellschaftsform, in der wir leben und die den Menschen soviel abverlangt, dass vielen die Tätigkeit im CI zu viel ist. Ich kann das voll verstehen, aber ich glaube auch, dass wir Beides – die Grenzen des Formalkrams und die der Gesellschaftsform – mit dem Kapitalismus überwinden können. Aber vielleicht braucht es das CI dann selbst auch nicht mehr. Insofern sind wir dafür da, uns überflüssig zu machen, uns tatsächlich zu unstitutionalisieren und in eine Commons-Gesellschaft aufzulösen. Ein schöner Traum.

Tilman: Ja, und deshalb müssen wir bei Treffen – beim „Commons-Commons“ – irgendwie mit gesellschaftlichen Widersprüchen umgehen: zum Beispiel damit, dass es unterschiedliche finanzielle Backgrounds gibt. Daher gehen wir solidarisch mit An- und Abfahrtskosten um. Das machen wir so: Fahrtkosten werden nicht rechnerisch auf alle gleich verteilt, weil die finanzielle Last ja unterschiedlich wiegt; sondern wir fragen: Wie viel möchte ich andere mitfinanzieren bzw. wie viel hätte ich gerne zurück? Dafür summieren wir alle angefallenen Fahrtkosten auf und teilen die Summe durch die anwesenden Personen, damit es einen Wert zur Orientierung gibt – wieviel dann jede Person gibt und nimmt, bleibt anonym und freiwillig; niemand wird verpflichtet. Freiwilligkeit ist eines der zentralen Prinzipien des Commoning.

Friede: Mit dieser Praktik habe ich anfangs deutlich gefremdelt. Ich war es nicht gewohnt, dass es eine „Pro-Kopf“-Summe gibt für Fahrt- und Unterkunftskosten, an der sich dann doch innerlich ausgerichtet werden muss – denn dafür ist sie da, oder? Aus tauschlogikfreien Zusammenhängen kannte ich es anders. Auch bin ich es sehr gewohnt, dass Lebensmittel gerettet statt gekauft werden, was die Kosten natürlich minimiert. Und, dass sich nicht in Tagungs-, sondern Projektehäusern getroffen wird, wo keine Kosten entstehen – das aber tut das Commons-Institut in der Regel auch, ja wir dürfen uns sogar im (Seminar-)Haus von Uli Frank treffen. Das ist nicht nur ein wunderschöner Treffort, sondern stand schon öffentlich für eine geldfreie Zukunft, als von Commons in Deutschland noch niemensch gehört hatte.

Sarah: Ich konnte und kann im Rahmen des CI andere Denk- und Fühlweisen und einen besseren Umgang damit lernen und leben. Da meine Commons-Definition, die einer anderen Lebensqualität und eines anderen sozialen Umgangs miteinander einschließt, ist meine Antwort: Ja, das CI ist ein Commons (auf unser Innenverhältnis bezogen). Mit allen Widersprüchen, die in Commons(projekten) insbesondere im aktuell eher feindlichen Umfeld des Kapitalismus auftreten. Um diese Widersprüche verringern zu können, braucht es für mich vor allem Zeit, Begegnung und offene Reflexion über das was wir mitbringen, was wir ändern wollen, und was wir für diese Veränderung an unterstützende Bedingungen brauchen. Für mich kann der Rahmen, den wir uns mit dem CI (im Innenverhältnis) ermöglichen, viel von diesen unterstützenden Bedingungen bieten!