Es gibt zwei ausführliche Artikel in der Wikipedia zu den Stichwörtern Commons und Commoning, die wir in Arbeitsgruppen des Commons-Instituts geschrieben haben. Wirf auch einen Blick in unseren Baukasten Commons-Einführung.
Commons sind gemeinsam hergestellte, gepflegte und genutzte Produkte und Ressourcen unterschiedlicher Art. Im Deutschen gibt es dafür das Wort Gemeingüter, was aber zu sehr auf die Ressourcen oder Produkte („Güter“) fokussiert. Daher verwenden wir auch im Deutschen das Wort Commons. Das Wort Commons mit „s“ steht dabei sowohl für die Einzahl wie für die Mehrzahl, es gibt also das Commons und die Commons.
Commons haben drei Bausteine
(1) Die Ressource oder das Produkt, das gemeinschaftlich hergestellt, erhalten und genutzt wird. Das können etwa Gewässer, Böden, Räume, Software, Saatgut, Fahrräder, die Wikipedia, Erkenntnisse, Produktionsmittel, die Atmosphäre oder die Ozeane sein oder irgendetwas anderes. Grundsätzlich kann alles zum Commons werden.
Manche Commons-Ressourcen sind von der Natur gemacht (Gewässer, Atmosphäre), andere von Menschen (GNU/Linux, Wikipedia, Produktionsmittel). Üblicherweise kommt aber beides zusammen – Böden und Saatgut haben eine natürliche Basis, müssen aber von Menschen gepflegt und entwickelt werden, um für Menschen nutzbar zu werden und zu bleiben.
Manche Ressourcen/Produkte sind universell. Jeder Mensch hat das gleiche Recht, sie zu nutzen; kein Mensch hat das Recht, sie zu zerstören oder sie einzuhegen und dadurch andere von ihrer Nutzung abzuhalten. Das gilt etwa für die Atmosphäre und die Ozeane, Freie Software wie GNU/Linux und Firefox sowie Freies Wissen wie die Wikipedia oder OpenStreetMap.
Andere sind lokal. Sie sind an einen bestimmen Ort gebunden und können nur von den vor Ort lebenden Menschen genutzt und gepflegt werden. Das gilt etwa für einzelne Gewässer und Bewässerungssysteme, Ländereien und Gebäude. Auch lokale Commons brauchen Schutz vor Einhegung und Zerstörung, um als solche erhalten zu bleiben.
(2) Die Community oder Gemeinschaft der Menschen, die das Commons herstellen, erhalten und nutzen. Ohne konkret handelnde Menschen in bestimmten sozialen Umgebungen ist kein Commons denkbar. Produkte werden von Menschen gemacht, und wenn sie nicht von Menschen genutzt werden, sind sie nutzlos. Commons-Ressourcen mit natürlicher Basis müssen bewahrt und gepflegt werden. Unentdecktes und ungenutztes Land ist kein Commons, es ist im Wortsinne „Niemandsland“.
(3) Die Regeln der Selbstorganisation, die die Community für den Umgang mit dem Commons setzt und durchsetzt. Selbstbestimmte Regeln sind die Grundlage der Selbstorganisation. Ohne verabredete Regeln kann kein Commons funktionieren, doch welche Verabredungen im Einzelfall die richtigen sind, hängt von der Art des Commons und den Präferenzen der Community ab. Es ist ein Unterschied, ob die Nutzung von Bytes und Informationen geregelt werden muss oder jene natürlicher Ressourcen wie Wasser und Wald.
Unterschiedliche Commons brauchen unterschiedliche Regeln, die aber in allen Fällen von der jeweiligen Community (Nutzer*innen- und Kümmerer*innen-Gemeinschaft) weitgehend selbst gefunden und durchgesetzt werden. Das gelingt nur, wenn eine Gruppe von Menschen ein gemeinsames Verständnis im Umgang mit dem Commons entwickelt. Den komplexen sozialen Prozess des selbstorganisierten Umgangs mit Commons bezeichnet der Historiker Peter Linebaugh als „Commoning“. Aus diesem „Commoning“ ergeben sich die in oft konfliktreichen Prozessen ausgehandelten Regeln.
Commoning
Jedes Commons ist anders, weil die Regeln und Gestaltungsprinzipien den lokalen Gegebenheiten und Bedürfnissen angepasst werden. Es gibt keinen „Masterplan“ für alle Commons, wohl aber einige Gemeinsamkeiten:
- Commoning ist ein Prozess von unten nach oben (bottom-up) statt von oben nach unten (top-down). Entscheidungen werden lokal von denen getroffenen, die von ihnen betroffen sind und sie umsetzen müssen. Es gibt keine von oben oder von einer zentralen Institution durchgesetzte Vorgaben, an die sich alle halten müssen.
- In Commoning-Prozessen werden konsensorientierte Lösungen gegenüber Mehrheitsentscheidungen und willkürlichen Entscheidungen einzelner bevorzugt. Bei exklusivem Privateigentum hat eine Eigentümer*in die fast uneingeschränkte Verfügungsgewalt – wenn andere die Ressource/das Produkt nutzen möchten, brauchen sie die Erlaubnis der Eigentümer*in und müssen sich ihren Vorgaben unterordnen. Bei Mehrheitsentscheidungen dürfen zwar alle mit abstimmen, doch bei jeder tatsächlich getroffenen Entscheidung muss eine u.U. beträchtliche Minderheit damit leben, dass sie überstimmt wurden. Das kann schnell zu Frust und Rückzug führen. Beim Streben nach Konsens haben hingegen alle die Möglichkeit, ein begründetes Veto einzulegen und eine Entscheidung, die ihnen gar nicht passt, auf diese Weise zu blockieren. Das macht es schwieriger und langwieriger, sich zu einigen, bedeutet aber auch, dass mit der schließlich gefundenen Lösung alle leben können und niemand das Gefühl hat, immer wieder überstimmt zu werden.
- Beim Commoning geht es um die Bedürfnisse der Beteiligten, nicht um Profit. Commons werden gemacht und gepflegt, um genutzt zu werden und Bedürfnisse zu beriedigen, nicht um Profite „abzuwerfen“. Die notwendige Finanzierung der Projekte läuft über vielfältige Formen. Dabei ist zentral, dass das Projekt nicht oder nicht wesentlich für den Markt produziert wird, um eine Ausrichtung am Markt statt an den Bedürfnissen zu verhindern.
- Die Logik des Commoning geht davon aus, dass bei richtiger Nutzung „genug für alle“ da ist. „Rivale“ Güter, die nicht von allen gleichzeitig genutzt werden können – ob Bewässerungssysteme oder Fahrzeug-Pools – werden so aufgeteilt, dass alle die wollen zum Zug kommen und niemand leer ausgeht. Nichtrivale Güter, die von beliebig vielen Menschen parallel genutzt werden können – das gilt für jede Art von Wissen und Informationsgütern, etwa Software und Musik – stehen allen ohne Einschränkungen zur Verfügung.
Folgende Gelingensbedingungen für Commoning können wir identifizieren:
- Commoning gelingt besser, wenn Selbstorganisation als ständiger selbstkritischer, selbstreflexiver Prozess verstanden sowie eingeübt und praktiziert wird. Je mehr Selbstorganisationsfähigkeit, umso selbstverständlicher erscheint Commoning.
- Commoning braucht Transparenz. Transparenz braucht umfassende und geduldige Dokumentation von Prozessen, Problemen und Erfahrungen des Gelingens und des Scheiterns.
- Commoning gelingt immer besser, je mehr es dazu beiträgt, unsere Handlungsmöglichkeiten unter den Bedingungen transparenter Selbstorganisation zu erweitern.
Vgl. dazu auch die Muster des Commoning.
Commons und Markt
Vergleicht man die Commons mit Märkten, so werden die Unterschiede ihrer Funktionsweise und inneren Logik besonders deutlich. Die folgende Grafik veranschaulicht das sehr gut: