Ein Ort für das Commoning entsteht
Anfang November fand die Einzugsfeier des Lüneburger Commons Zentrums statt. Nach zweieinhalb Jahren der Suche wird der Ort im Süden Lüneburgs Wirklichkeit. Bei der Einzugsfeier wurde schon ein wenig vorweggenommen, was für ein Ort hier entsteht: statt eines Flohmarkts gab es einen (tauschlogikfreien) »Freimarkt«, statt Essensverkauf ein Mitbringbuffet sowie Waffeln und Sandwiches zum Selbermachen.
Jonas Korn, Commons Zentrum
Wenn es um wirtschaftlichen Wandel geht, stellen Commons eine wichtige Alternative zum global vorherrschenden Markt-Staat dar. Sie existieren jenseits der Logiken von Profitmaximierung und Exklusion. Commons nutzen Ressourcen gemeinschaftlich, selbstorganisiert und bedürfnisorientiert. In der neueren Commons-Literatur (zum Beispiel: Helfrich/Bollier 2019) wurde ein Wandel des Verständnisses von Commons vollzogen. Statt, dass verschiedene Ressourcen naturgegeben bestimmte Regulationsformen nahelegen – bestimmte Dinge also besonders gut als private, öffentliche, Gemein- oder Klubgüter verwaltet werden könnten – sind es die sozialen Praktiken, die darüber entscheiden, was zum Commons wird. Wir müssen also (wieder) lernen, Commons zu machen. Als neue (uns eigentlich nicht unbekannte) Selbstverständlichkeit. Praktiken des gesellschaftlichen Wandels müssen genauso erlernt werden wie handwerkliche Fähigkeiten. Dafür braucht es Formate und Räume, in denen Commoning-Handlungslogiken vorherrschen: im sozialen Miteinander, als Selbstorganisation durch Gleichrangige und als sorgendes und selbstbestimmtes Wirtschaften.
Das Commons Zentrum soll ein Ort werden, an dem Menschen zusammenkommen und gemeinsam tätig sein können. Der Ort soll verschiedene Ebenen vereinen: Es ist ein Ort, um zu schrauben, zu nähen und zu sägen, und gleichzeitig ein Ort gesellschaftlichen Wandels hin zu einem guten Leben für alle. Konkrete Pläne für die Räume sind: Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt, Metall- und Schweißwerkstatt, Bibliothek der Dinge, Seminarräume für Vorträge, Kino, Bewegungsraum, Ausleihstation für freie (Lasten-)Räder, Textil- und Nähwerkstatt für Reparatur und Schneiderei, Reparaturwerkstatt für Elektrogeräte, Möbel und Haushaltsausstattung, Soli-Café, Schenkladen, Lebensmittel-Fairteiler, Permakulturbeete, Musikraum, Materiallager für Fahrradteile, Holz und Metall, Küche für alle, Atelier, Saatgutbibliothek und Platz für weitere Ideen. Das Commons Zentrum kann als »Dritter Ort« neben Wohn- und Arbeitsorten gefasst werde. Es soll dabei insbesondere von den Zwischenstufen, Schnittmengen und Begegnungen profitieren: Vielleicht kommt eine Person vorbei, um Unterstützung bei der Reparatur ihres Fahrrads zu bekommen und findet dann vor Ort gute Möglichkeiten, sich selbst in der Holzwerkstatt einzubringen.
Ziel ist es dabei nicht, die Vielfalt der existierenden Lüneburger Commons an einem Ort zu zentrieren, sondern insgesamt den Blick zu öffnen für diese Praktiken des Miteinanders, die oft als »kleine ehrenamtliche Projekte« marginalisiert werden.
Wir schaffen diesen Transformationsort, um Lüneburg zu einer schöneren, lebenswerteren, gerechteren und nachhaltigeren Stadt zu machen. Prozesse des Commoning brauchen eigene Räume – ohne Konsumzwang und ohne Tauschlogik. Finanziert wird das Commons Zentrum durch eine Mischung aus Förderungen, Spenden und Fördermitgliedschaften.
Den Erzählungen der Alternativlosigkeit müssen wir Alternativen entgegenhalten und sie damit demaskieren als das, was sie sind: Narrative, die dafür da sind, den Status quo zu zementieren. Commons sind dabei nicht das Schlaraffenland, sondern lassen sich mit den bekannten dualistischen Kategorien schwer fassen: Sie liegen zwischen Lust und Notwendigkeit sowie jenseits von Egoismus und Altruismus.
Bedürfnisse werden oft auf konsumptive Bedürfnisse reduziert. Als menschliche Wesen brauchen wir jedoch mehr als Nahrung, Wasser und Unterkunft, wir brauchen sinnvolles Tätigsein und Teilhabe an gemeinschaftlichen Prozessen. Diese produktiven Bedürfnisse sollen einen Raum im Commons Zentrum finden. So tragen wir bestenfalls auch gegen gesellschaftliche Spaltung und Einsamkeit bei.
Das Lüneburger Commons Zentrum orientiert sich an einer großen Zahl ähnlicher Projekte wie der Münsteraner B-Side. Nicht zuletzt, wenn es um die zukünftige Nutzung der Innenstädte geht, könnten solche Orte die ansonsten aussterbenden Innenstädte mit neuem Leben füllen – eine Kampagne, die genau das thematisiert ist »Shoppingmalls zu Sorgezentren«.
Nach der längeren Zeit der Suche nach einem Ort, in der wir bereits einzelne Formate ausprobiert haben, kommt jetzt die ganz konkrete Umsetzung. Damit verschiebt sich der Fokus zu ganz praktischen handwerklichen Tätigkeiten und Fragen der Renovierung, Einrichtung, Strukturierung und zur Integration einer Vielzahl Interessierter, die sich im Projekt einbringen wollen. Wir sind gespannt auf die kommenden Monate und Jahre!
Link: www.commonszentrum.de
Dieser Artikel erschien zuerst in der contraste – zeitung für selbstorganisation in der Ausgabe 483/Dezember 2024.