[Bild: Sarah Meretz, Lizenz CC-BY: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/]
Der Begriff „commonsbasierte Peer-Produktion“ oder „commonsschaffende Peer-Produktion“ wurde geprägt, um den Prozess zu beschreiben, in dem „neue“, digitale Commons wie Freie Software und die Wikipedia entstehen. Tatsächlich passt er aber auch auf die Zusammenarbeit der Commoners, die „traditionelle“, lokale Commons pflegen, gestalten und nutzen.
Commoning hat immer ein produktives Moment – Commons sind nicht einfach da, sie müssen geschaffen, entwickelt und gepflegt werden. Der englische Begriff peers bezieht sich dabei auf eine Gruppe von Gleichberechtigten oder Ebenbürtigen, die auf Augenhöhe aus freien Stücken zusammenarbeiten.
Peers stehen im Gegensatz zu den Chef/Untergebene-Beziehungen, die es in jeder hierarchischen Organisation – ob Behörde, Militär oder Firma – gibt. Auch die in modernen Firmen gern betonten „flachen Hierarchien“ können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen strukturellen Unterschied zwischen der Führungsebene (dem Management) und den ausführenden Beschäftigen gibt. Letztere können zwar Eigeninitiative entwickeln, doch nur wenn diese den Zielen der Firma dient – immer nach dem Motto: „Tut was ihr wollt, aber seid profitabel!“ Die individuellen Ziele der Beschäftigen müssen sich den (Profit-)Zielen der Firma stets unterordnen, sonst werden die Beschäftigen ganz schnell ermahnt, abgemahnt und sind schließlich ohne Job.
Beziehungen zwischen Peers unterscheiden sich aber ebenso von den Beziehungen auf dem Markt, die von sich grundsätzlich widersprechenden Interessen geprägt sind. Je niedriger der Preis, desto besser für die Käuferin; je höher der Preis, desto besser für den Verkäufer. Jedes Geschäft, das ich einer Konkurrentin wegschnappe, ist zwar gut für mich, aber schlecht für sie. Dagegen kooperieren Peers miteinander, freiwillig und auf Augenhöhe. Sie haben das gleiche Ziel oder ähnliche Ziele und unterstützen sich gegenseitig beim Erreichen ihrer Ziele – nicht weil sie uneigennützig sind, sondern weil sie gemeinsam weiter kommen als jede*r für sich allein.
Peer-Produktion verkörpert das Prinzip Beitragen statt tauschen: Statt auf dem Markt ihr Glück zu versuchen (mit immer ungewissem Ausgang), tragen Peers zu einem gemeinsamen Ganzen bei, einem Commons, das von ihnen auf- und ausgebaut und gepflegt wird. Im Digitalen ist dieses Commons eine Freie Software oder Freie Wissens-Ressourcen wie die Wikipedia oder OpenStreetMap, die gemeinsam erstellt und verbessert werden. Aber auch um traditionelle(re) Commons wie Land oder Saatgut herum findet Peer-Produktion statt, wenn die Beteiligten auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Peer-Produktion ist dezentral, da es keine einzelne (zentrale) Instanz gibt, bei der alle Fäden zusammenlaufen und die entscheidet, was jede_r Einzelne tut. Und sie ist offen für andere: Alle, die an der Nutzung oder Verbesserung des gemeinsam gepflegten Commons interessiert sind, können mitmachen, wenn sie bereit sind, sich an die Spielregeln zu halten, die sich die Community der Peer-Produzent*innen gibt.
Da Peers freiwillig zusammenarbeiten, kann keine*r von ihnen den anderen Befehle erteilen, da es keine Druckmittel wie etwa die Angst vor Entlassung und Arbeitslosigkeit gibt, um Gehorsam zu erzwingen. Oft kümmern sich Koordinator*innen (gerne „Maintainer“ oder „Admins“ genannt) darum, ein Projekt auf Kurs zu halten. Dabei können sie zwar entscheiden, ob Beiträge integriert oder zurückgewiesen werden, aber sind sind auf die freiwilligen Beiträge der anderen angewiesen und können keinerlei Zwang anwenden. Und ohne guten Grund werden sie Beitragswillige nicht verprellen, weil sie ihrem Projekt damit selber schaden würden.
Während Produzent*innen für den Markt immer in erster Linie das Ziel „Geld verdienen!“ verfolgen (und verfolgen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen), haben Commons-Produzent*innen vielfältige Motive. Manche wollen das entstehende Produkt selber nutzen, anderen macht die jeweilige Tätigkeit Spaß, oder sie wollen ihr Wissen teilen. Wieder andere beteiligen sich, um etwas zu lernen oder der Community etwas zurückzugeben.
Dabei entscheiden die Beteiligen selbständig, welche der benötigten Tätigkeiten sie übernehmen können und welche Beitrage sie leisten wollen. Die Community gibt dabei Hinweise darauf, was zu tun ist. Solche Hinweise sind etwa rote Links („hier fehlt noch ein Artikel“) oder Hinweiskästchen („dieser Artikel ist unvollständig/veraltet/schlecht geschrieben“) in der Wikipedia und anderen Wikis, Bugreports („hier ist etwas kaputt“) oder To-Do-Listen („das haben wir uns noch vorgenommen“) in Freien Software-Projekten. Dieser Modus der selbstorganisierten und selbstbestimmten Aufgabenaufteilung wird als stigmergische Selbstauswahl bezeichnet (von stigma = Hinweis).